Dritte Halbzeit - Ultras

 

Ultras – wohl über keine andere Bewegung schreibt die Presse in letzter Zeit so viel, wie über sie. Leute, deren Ziel es ist, den Verein bedingungslos zu unterstützen, die mit großen Fahnen, Doppelhaltern und Choreographien die Stadien bunter machen. Seit Mitte der 90er Jahre gibt es sie in den deutschen Ligen und sie haben gewaltig Zulauf. Auch in Hamburg gibt es Ultras. Sie sind allerdings ein ganz anderes Kaliber als die eben beschriebene Spezies. Seit nunmehr 15 Jahren gibt es die „Hamburg Ultras“, seit einer Zeit also, in der Choreographien und koordinierter Support in Deutschland noch nicht mal angedacht waren.

Unter „Ultras“ verstand man 1989 Fans, die durch Singen, Bengalos, Rauchbomben und eben auch ihrer Neigung zur Gewalt auffielen. Zumindest wurde im Zuge der bevorstehenden WM in Italien so über die italienischen Fans berichtet. In diese Kategorie passte auch die damals noch namenlose Gruppe der Hamburger Hooligans. Als sich zu Beginn der Saison 89/90 die Situation ergab, dass mehrere Hamburger Hooligans auf dem Weg zu einem Fußballspiel Zwischenstopp in Hannover machen mussten, entschied einer der Mitreisenden, sich dort in einem kleinen Shop etwas auf sein Sweatshirt sticken zu lassen, um alle Welt wissen zu lassen, woher er kommt. Allerdings fehlte ihm noch die passende Idee, was denn letztlich genau auf dem Shirt stehen sollte. Die Gruppe nannte verschiedene Namen, diskutierte und am Ende stand also “West-Side-Ultras Hamburg” auf dem guten Stück. Die definitiv erste Nutzung des Begriffes “Ultras” in Verbindung mit Hamburger Fußballfans. “West-Side” in diesem Zusammenhang stand eigentlich für die alte Heimstatt der HSV-Fans, die Westkurve. Da sich der Mob der Hamburger Hooligans jedoch ohnehin mehr und mehr auf der alten Südtribüne ansiedelte, entfiel dieser Zusatz und übrig blieb die bis heute gültige Bezeichnung “Hamburg Ultras”.

Natürlich, das wissen wir, gab es auch vor 1989 schon Fußballkrawalle, auch in Hamburg. Die Löwen seien hier nur genannt. Doch der zweifelhafte Ruf, zu den „besten“ Gewalttätern zu gehören, dürften Hamburg die Ultras beschert haben. Gerade in den Jahren 1990-93, speziell in der Saison 91/92 war das Gewaltpotential des Hamburger Mobs sehr hoch. Kaum eine „Fan Treff“ – Ausgabe, in der nicht von den Aktionen der Hamburger berichtet wurde. Über 300 Personen (inklusive der befreundeten Bielefelder und Hannoveraner) umfasste die Gruppe bei wirklich „heißen“ Begegnungen, wie gegen Schalke zuhause, und auch auswärts fuhren regelmäßig 100-150 Mann. Ebenso war Hamburg bei Länderspielen in der „ersten Reihe“ zahlreich vertreten und gern gesehen.

Die „Faszination Ultras“
Schloss man sich in den frühen Achtzigern fast schon gezwungenermaßen einer Gruppe von Fans an, um nicht Opfer von gegnerischen Anhängern zu werden, so änderte sich Ende jenes Jahrzehnts die Motivation. Die klassischen Hooligans tauchten auf. Im sportlichen Freizeitlook, zivil gekleidet und das genaue Gegenteil dessen, was bislang den Fußballgewalttäter (für die Öffentlichkeit) erkenntlich machte. Statt Rockeroutfit und Kutten regierte Designerkleidung die Szene, und das smarte Auftreten dürfte, neben dem nach einer „Ruhephase“ Mitte der Achtziger Jahre wieder stärker werdenden Krawallpotential und damit zusammenhängenden Medienberichten, ein Hauptgrund für den starken Zulauf bei den Hamburg Ultras gewesen sein. Die Ultras waren „In“. Der Zusammenhalt der Ultras sei es gewesen, was ihn faszinierte, so ein Gesprächspartner, der später dazu stieß, den „Kick“ habe man ja zu Beginn noch gar nicht gekannt. Dieser „Kick“ ist dann später wohl auch die häufigste Begründung für das Wirken als Hooligan. Des einen Freud ist aber bekanntlich des anderen Leid und so hatte natürlich auch die Polizei stets ein Auge auf Hamburgs Problemanhang.

Es war also nicht verwunderlich, dass sich die Reihen gegen Mitte bis Ende der Neunziger lichteten, was man wohl auch darauf zurückführen kann, dass der klassische Fußball-Krawall am Stadion und in den Städten durch eben erhöhte Polizeipräsenz den Treffen „auf der grünen Wiese“ weichen musste. Für einen klassischen Fußball-Mob, als den sich die Ultras verstehen (aus der Fanszene kommend), eher unattraktiv, da hier fast ausschließlich Gegner zu treffen sind, deren erstes Interesse nicht dem Verein gilt, sondern dem Prügeln. Das Wort „Boxstaffel“ fällt hier des Öfteren.

Einem Wirkungstreffer, um es mal boxerisch auszudrücken, kam dann die WM 1998 gleich. Hamburger Hooligans waren bei den Ausschreitungen vor und während des Spiels gegen Jugoslawien beteiligt, in deren Verlauf der Gendarm Daniel Nivel schwer verletzt wurde. Als einen der Haupttäter hatte die Staatsanwaltschaft ein Mitglied der Ultras ausgemacht. Sanktionen, nicht nur gegen besagte Person sondern die gesamte Szene, sorgten für eine Verkleinerung der Gruppe, die fast dem K.O. gleich kam. Zwar bekommt man bei brisanten Spielen mit Hannoveraner und Bielefelder Unterstützung noch an die 200 Mann zusammen, doch darf man den Kern wohl auf nur noch ca. 60 Leute schätzen. Allerdings ist es auch um diesen Kreis ruhiger geworden. Die alten Zeiten seien nun mal unwiederbringlich vorbei, so ein Mitglied der Gruppierung. Die Polizei sei besser organisiert, die Mobs kleiner und Feld, Wald und Wiese eben nicht jedermanns Sache.

Außerdem werden auch die Ultras nicht jünger. In diesem Sommer feiern die Hamburg Ultras ihr 15-jähriges Bestehen. Ob bei Kaffee und Gebäck, wie es sich für Leute gesetzten Alters gehört oder bei Wein, Weib und Gesang, bleibt abzuwarten.
 
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